Seit 2001 erstellt Gallup für Deutschland jährlich einen „Engagement Index“, am 10. Mai 2017 wurden die Ergebnisse für 2016 veröffentlicht. Ich hatte mich für die mündliche Auswertung der Studie an diesem Tag für ein einstündiges Webinar von Marco Nink (Gallup Projektmanager) eingeklinkt und ihm aufmerksam zugehört.
Laut Studie ist der Anteil der hochmotivierten Angestellten in dem Zeitraum von 2001 bis 2016 bei 15 Prozent nahezu unverändert geblieben. Um 2 Punkte auf 70 Prozent zum Vorjahr gestiegen ist die Gruppe der Menschen, die Dienst nach Vorschrift machen, weil sie nur eine geringe emotionale Bindung zum jeweiligen Unternehmen haben.
Etwa auf dem gleichen Stand bei 15% bleibt die Gruppe derjenigen, die innerlich bereits gekündigt hat. „Das sind die Leute, die schon am Sonntag schlecht einschlafen und sich fragen: Wann ist denn wieder Wochenende?“. Laut Nink seien sie eine echte Bedrohung für jedes Unternehmen. Denn sie brächten nicht nur eine unterdurchschnittliche Arbeitsleistung, sondern steckten oftmals ihre Kollegen mit ihrer Unlust an. So entstehen der Wirtschaft durch geringere Produktivität hohe Kosten.
Die Studie zeigt auch einen Zusammenhang von guter oder schlechter Motivation mit Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Von Mitarbeitern, die innerlich Abschied von ihrer Firma genommen haben, kommen sicherlich auch messbar weniger Ideen. Sie fühlen sich oft nicht anerkannt, nicht als Partner ihres Chefs, sondern als Untergebene. Aus diesem Grunde wollen sie ihr Wissen auch nicht mehr dem Chef und dem Unternehmen zur Verfügung stellen.
Besonders missachtet sehen sich die Älteren. In der Altersgruppe 48 bis 66 Jahre haben 29 Prozent keine gefühlsmäßige Bindung mehr an ihren Betrieb. Allein die Fehltage, die auf Unlust zurückzuführen seien, kosteten die Betriebe 18 Milliarden Euro. Gemäss Modellrechnungen von Gallup gingen alles in allem den deutschen Unternehmen bis zu 138 Milliarden Euro durch fehlendes Engagement verloren.
Die Hauptursache für innerliche Kündigungen sei laut Nink eine schlechte Personalführung. Viele Vorgesetzte hätten eine Talentlücke für diese Aufgabe und seien auch nicht entsprechend ausgebildet. Zudem, „Die Führungskräfte kriegen selten einen Spiegel vorgehalten“. Zum Beispiel dächten viele, sie verteilten ausreichend Lob. Ihre Teams sähen das aber ganz anders. Anscheinend reichen die bisherigen Bemühungen nicht, um die emotionale Bindung der Mitarbeitenden zu erhöhen. Was ist es, was die Mitarbeitenden noch mehr brauchen? Nur Lob und Anerkennung scheint zuwenig zu sein.
Dennoch haben die befragten Mitarbeiter insgesamt eine positive Arbeitseinstellung und bekunden hohe Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen – doch das scheint ihr Engagement innerhalb der Unternehmung nicht zu beflügeln. Auch wenn die Studie es so nicht explizit thematisiert: Hier tritt zutage, was passiert, wenn Mitarbeiter ihre Werte in ihrer Arbeit nicht wiederfinden bzw. nicht leben können.
Laut Dr. Andrea Maria Bokler (selbständige Managementberaterin und Cultural Transformation Tools Consultant, die Kulturtransformationsprozesse in Unternehmen initiiert und begleitet) müssen Menschen ihre Werte in der alltäglichen Arbeit vertreten sehen, damit sie sich mit ihren Gefühlen und Herzen in Schwingung bringen können. Werte sind wesentlich. Jeder Mensch definiere sich über bestimmte Werte – Dinge, die ihm besonders wichtig seien. Finde der Mensch seine Werte nicht vor, leide derselbe. Wem es gelinge, sein Denken, Fühlen, Sprechen und Handeln mit seinen Werten und Überzeugungen in Einklang zu bringen, sei in Harmonie und befinde sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit zeitweise im Flow. In der Fachsprache "Personal Alignment" genannt. Er wirke authentisch und glaubwürdig für sich und andere. Wer die Möglichkeit hat, diese Werte auch in seine Arbeit einzubringen, identifiziere sich stärker mit dem Unternehmen und seinen Aufgaben, ist motivierter und engagierter als andere. Er passe gemäss seiner individuellen Sinn- und Wertestruktur in das jeweilige Unternehmen und fühle sich wohl.
Laut Bokler ist dies am Arbeitsplatz nicht immer möglich. Mancher muss Dinge tun, hinter denen er nicht voller Überzeugung steht, oder Erwartungen erfüllen, die in seiner eigenen Wertestruktur keine hohe Bedeutung haben. Wenn dann die Führungskräfte erkennbar anders sprechen als handeln wird es zusätzlich schwieriger für die Betroffenen. Die Glaubwürdigkeit des Chefs bliebe so auf der Strecke, was die Sache nicht leichter mache. "Walk the talk" wäre die angesagte Devise, damit ein gesundes Klima entstehen kann. Fehle eine solche Führungskultur, sinke das Engagement der Mitarbeitenden weiter und weiter, bis die Gedanken, das Unternehmen zu wechseln, nicht mehr fern seien.
laut Nink verlassen Menschen das Unternehmen auch nicht wegen des Unternehmens, sondern mehrheitlich wegen den Führungspersonen. In der besagten Studie zur emotionalen Bindung von Mitarbeitern an ihren Arbeitgebern, hat man festgestellt, dass sich die sogenannten „Kündiger“ durchaus vorstellen könnten unter einer anderen Führungsperson wieder in der vorherigen Unternehmung zu arbeiten.
Eine wichtige Massnahme für eine bessere Bindung an das Unternehmen und mehr Engagement sieht Nink in der Kommunikation. Deshalb gewichtet er das Instrument Mitarbeitergespräch und rät zu einem kontinuierlichen Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitern. Doch laut Bokler könne ein Mitarbeitergespräch nur dann wirklich konstruktiv sein, wenn beide Seiten sich auf Augenhöhe begegnen und verstehen können, von welchen Werten sie jeweils angetrieben werden und diese auch gegenseitig wertgeschätzt werden.
Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Werten der Mitarbeitenden und Führungskräften sowie mit der Unternehmenskultur ist daher der beste Weg, das Engagement zu steigern, „Dienst nach Vorschrift“ zu reduzieren und „innere Kündigungen“ zu verhindern. Weiter meint Bokler, dass der Dialog über die Werte der Mitarbeitenden und der Führungspersonen spannend sei und zu einem grösseren inneren Zusammenhalt und mehr Engagement der Einzelnen für das Unternehmen und Untereinander verhelfe. Dieser Prozess sei vertrauensfördernd und statte eine Unternehmung mit mehr positiver und zielgerichteter Energie aus.
Selbst bin ich von der positiven Wirkung der werteorientierten Führung für Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeitende überzeugt. Deshalb habe ich 2016 eine Ausbildung bei Dr. Andrea Maria Bokler zum CTT Practitioner (Culture Transformation Tools Practitioner) gemacht und viel Neues, aber auch schon Vertrautes in meinen Werkzeugkoffer reinnehmen dürfen.
Durch die Ergebnisse der Studie von Gallup und die Ansichten von Bokler wird ersichtlich, dass Vertrauen in der eigenen Unternehmenskultur zu haben, enorm wertvoll ist. Vertrauen reduziert nachweislich die Komplexität von Abläufen und macht Unternehmen dadurch schneller, effizienter und kundenorientierter.
Auf den Punkt gebracht: Wer als Führungsperson die Werte der anderen wertschätzen kann, verdient sich Respekt und Vertrauen bei den Mitarbeitenden. Die Mitarbeitenden werden es Ihnen mit einer hohen emotionalen Bindung an ihr Unternehmen und dem Stolz in dieser Unternehmung arbeiten zu dürfen, danken. Die Auswirkungen auf die Performance und den Output werden auch nicht unbemerkt bleiben.
Schön, wenn auch Sie Ihre eigenen und die Werte ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen und anfangen darüber einen Dialog zu führen.
30.07.2017 by Max Kreienbühl
Quelle:
Engagement Index 2017, Gallup Studie 2017
Blogbeitrag Andrea Bokler, Gallup Studie 2017